Technikumshalle

Erzeugung erneuerbarer Gase

An der DVGW-Forschungsstelle wird an Verfahren zur Erzeugung von erneuerbaren Gasen geforscht. In Zusammenarbeit mit Partnern aus Forschung und Industrie werden auf Basis von Experimenten und Modellierungen unterschiedliche Erzeugungspfade weiterentwickelt sowie energetisch und ökonomisch bewertet.

In der Technikumshalle werden neue Verfahren zur Erzeugung und Aufbereitung erneuerbarer Gase untersucht.; © Matthias Bitsch
Beitrag von erneuerbaren Gasen für ein Gelingen der Energiewende
Themen rund um die Erzeugung erneuerbarer Gase
Wir erforschen die Erzeugung erneuerbarer Gase von der Idee bis zur Kommerzialisierung. © DVGW-EBI

Der DVGW möchte mit dem „Energie-Impuls“ einen Austausch darüber anstoßen, wie sich die Energiewende sektorübergreifend umsetzen lässt. Ein wichtiger Schritt des Energie Impulses ist die kontinuierliche Erhöhung des Anteils erneuerbarer Gase wie grünem Methan und Wasserstoff in der bestehenden Gasversorgung. Dieser Schritt trägt zur Schaffung einer nachhaltigen klimaneutralen Energieversorgung in allen Sektoren des Energiesystems bei.
Vor diesem Hintergrund werden an der DVGW-Forschungsstelle unterschiedliche Technologien zur Bereitstellung von erneuerbaren Gasen ganzheitlich betrachtet.

In der Arbeitsgruppe Verfahrenstechnik wird an der Bereitstellung von erneuerbaren Gasen aus Biogas und an der Power-to-Gas-Technologie geforscht. Das Ziel ist, ausgehend von einer Verfahrensidee bis hin zur Anwendung der Technologie den gesamten Prozess zu entwickeln. Zu den untersuchten Verfahren zählen die zweistufige Druckfermentation, die CO2-Abtrennung und -Bereitstellung mit ionischen Flüssigkeiten sowie biologische und katalytische Methanisierung. Begleitend zur Verfahrensentwicklung bedarf es der detaillierten Untersuchung einzelner Aspekte. Dazu gehören die Charakterisierung von Stoffeigenschaften (z. B. Löslichkeit, Viskosität, etc.), die Beschreibung der Reaktionskinetik sowie die Untersuchung der Hydrodynamik und des Stofftransports in Mehrphasenapparaten (z. B. Gaswäscher, Blasensäule). Im Lauf der Verfahrensentwicklung werden die Gesamtprozessketten technisch und ökonomisch analysiert und mit dem Stand der Technik verglichen.

Prozesskette des Projekts ProBioLNG
Prozesskette zur Erzeugung von verflüssigtem Methan aus Biomasse und erneuerbarem Strom mit der zweistufigen Druckfermentation ‏‏‎© ProBioLNG

Biogas besteht zu ca. 50 % aus Methan (CH4) und 50 % aus Kohlenstoffdioxid (CO2). In Deutschland wird das Biogas überwiegend vor Ort zur Stromerzeugung genutzt. Bei ca. 250 von über 9000 Biogasanlagen wird aufbereitetes Biogas ins Erdgasnetz eingespeist und so für eine Vielzahl an Anwendungen in verschiedenen Sektoren bereitgestellt. Damit werden die Produktion und die Nutzung des Biogases zeitlich und räumlich entkoppelt, was für die Energiewende ein entscheidender Vorteil ist. Um Biogas einspeisen zu können, muss vor allem CO2 aber auch Schwefelverbindungen sowie Wasser entfernt werden und das Biogas auf den Druck des Erdgasnetzes verdichtet werden. Dabei hat die Verdichtung einen Anteil von 30 % der Kosten, die für die gesamte Biogasaufbereitung notwendig sind. Um dieser Herausforderung zu begegnen, haben wir in Zusammenarbeit mit der Landesanstalt für Agrartechnik der Universität Hohenheim über mehrere Jahre die zweistufige Druckfermentation entwickelt, unter anderem im Forschungsprojekt ProBioLNG.

Mit Hilfe von drei Neuerungen wird die zweistufige Druckfermentation für die Einspeisung ins Erdgasnetz optimiert:

  • Verringerung der Verweilzeit der Flüssigkeit durch räumliche Trennung der einzelnen Schritte zum Abbau der Biomasse und Anpassung der Reaktorbedingungen (z. B. Druck und pH-Wert) an die Mikroorganismen
  • Biogaserzeugung unter Druck erzeugt Biomethan mit sehr hohem Methangehalt (> 80 Vol.-%) und reduziert dadurch den Energiebedarf für Aufbereitung und Verdichtung
  • Integration von grünem Wasserstoff in einer biologischen Methanisierung im Druckreaktor ermöglicht den Betrieb als Power-to-Gas-Anlage und somit als Sektorenkopplungselement.

Die gesamte Prozesskette ermöglicht eine Energieeinsparung von 40 – 60 % im Vergleich zum drucklosen Verfahren. Außerdem werden die Biomethan-Gestehungskosten im Vergleich zum Stand der Technik um ca. 10 % gesenkt.

Herstellung von grünem Wasserstoff
Verfahren zur Herstellung von erneuerbarem („grünem“) Wasserstoff © DVGW-EBI

Wasserstoff als chemischer Energieträger kann ein zentraler Baustein eines klimaneutralen Energiesystems sein. Vor diesem Hintergrund haben die Europäische Union und die deutsche Bundesregierung eine europäische bzw. nationale Wasserstoffstrategie auf den Weg gebracht. Der DVGW unterstützt die Nutzung von klimaneutralem Wasserstoff und fördert die Forschung an einer zuverlässigen Versorgung im „Innovationsprogramm Wasserstoff “.

An der DVGW-Forschungsstelle wird die Erzeugung und Bereitstellung von erneuerbarem Wasserstoff und klimaneutralem Wasserstoff  erforscht.

Für die Erzeugung von erneuerbarem („grünem“)  Wasserstoff gibt es zahlreiche Möglichkeiten (siehe Bild). Die Erzeugungsverfahren von Wasserstoff aus Biomasse und aus erneuerbarer elektrischer Energie mithilfe der Wasserelektrolyse haben schon heute hohe Technologiereifegrade. Die Erzeugungsverfahren werden fortwährend unter Einbezug der neuesten technischen Entwicklung technoökonomisch bewertet.

Die Produktionsverfahren für klimaneutralen („blauen“) Wasserstoff über Dampfreformierung mit CO2-Abtrennung und von türkisem Wasserstoff über Methanpyrolyse sind ebenfalls Gegenstand aktueller Forschung (RoadMapGas). Die „Wasserstoff-Farbenlehre“ erläutern wir in einer eigenen Infobox.

Gaswäscher zur CO2-Abscheidung aus Luft
Gaswäscher zur CO2-Abscheidung aus Luft in der Technikumshalle © Matthias Bitsch

Zur Abtrennung von CO2 aus Gasen werden bei großskaligen Prozessen überwiegend Gaswäschen eingesetzt. Liegt das CO2 im Gas unter niedrigem Partialdruck vor, erweisen sich chemische Gaswäschen als zweckmäßig, da sie gegenüber physikalischen Gaswäschen auch unter Bedingungen niedriger Partialdrücke vergleichsweise hohe Beladungen ermöglichen. Seit einigen Jahren werden an der DVGW-Forschungsstelle ionische Flüssigkeiten (IL) als Waschflüssigkeit bei der CO2-Abtrennung untersucht. ILs zeichnen sich durch einen vernachlässigbaren Dampfdruck aus. Daher können große Gasströme mit der IL in Kontakt gebracht und unter erhöhten Temperaturen bei Vakuum regeneriert werden, ohne selbst in nennenswertem Umfang zu verdampfen. Der Eignungsnachweis für die CO2-Abtrennung im Zusammenhang mit der Biogasaufbereitung wurde an der DVGW-Forschungsstelle in Labor- und Feldtests bereits erbracht. Aktuelle werden im Rahmen der  Forschungsvorhaben RECODE und MethFuel  weitere Applikationen untersucht:

  • CO2-Abtrennung aus Brenngasen
  • CO2-Bereitstellung aus Umgebungsluft

Die CO2-Abtrennung aus Umgebungsluft (Direct Air Capture, siehe Bild) stellt hierbei wegen des extrem niedrigen CO2-Partialanteils von ca. 400 ppm eine besondere Herausforderung dar.

Demo-SNG-Container
Container der Demo-SNG-Anlage mit 100 kW Leistung © DVGW-EBI

Zur Erzeugung von erneuerbaren Methan wird grüner Wasserstoff in der Methanisierung mit CO (Gl. 1) oder CO2 (Gl. 2) zu Methan und Wasser umgewandelt. Die Methanisierung ist eine stark exotherme Reaktion, deren Umsatz bei hohen Temperaturen gleichgewichtslimitiert ist.

        CO + 3H2 ⇔ CH4 + H2O        ΔRH 0 = –206 kJ/mol        Gl. 1
      CO2 + 4H2 ⇔ CH4 + 2H2O        ΔRH 0 = –165 kJ/mol        Gl. 2

Im großtechnischen Maßstab wird die Methanisierung meist chemisch-katalytisch in einer Serie von adiabaten Festbettreaktoren mit Zwischenkühlung ausgeführt. Neuartige Reaktorkonzepte ermöglichen eine gute Wärmeabfuhr, wodurch einspeisefähiges erneuerbares Methan in nur einer Reaktorstufe oder in einer Serie von zwei Reaktoren mit Zwischenkondensation erzeugt werden kann. Solch ein Verfahren wird an der DVGW-Forschungsstelle in Kooperation mit dem KIT anhand der mobilen Demo-SNG-Anlage im 100-kW-Maßstab demonstriert. Kern der Anlage sind Wabenreaktoren, deren mit Katalysator beschichtete Metallstruktur ein gutes  Wärmemanagement bei gleichzeitig hoher Reaktionsgeschwindigkeit ermöglicht. Die Anlage wurde bereits an einem Holzvergaser in Schweden betrieben (Pressemitteilung) und wird im Projekt H2Mare mit einer neuen Generation von Wabenkörpern bestückt.

Neben der katalytischen Methanisierung wird auch die biologische Methanisierung an der DVGW-Forschungsstelle untersucht. Beim biologischen Verfahren werden CO2 und H2 bei niedrigen Temperaturen durch Mikroorganismen zu CH4 umgesetzt. Vorteil dieses Verfahrens ist eine hohe Toleranz gegenüber typischen Katalysatorgiften. Zudem liegen auf Grund der niedrigen Prozesstemperatur keine Gleichgewichtslimitierung vor und ein Vollumsatz ist in nur einer Prozessstufe möglich.

Blasensäule
Blasenströmung in Blasensäule im Technikum © Matthias Bitsch

Im Zusammenhang mit EE-Gasen wird an der Auslegung von Suspensionsblasen-Säulenreaktoren (Methanisierung) und Gaswäscher (Chemiesorption mit ionischen Flüssigkeiten) geforscht. Die Auslegung dieser Mehrphasenapparate im großtechnischen Maßstab stellt trotz intensiver Forschungsaktivitäten in den letzten Jahrzehnten bis heute eine Herausforderung dar. Bei der Auslegung müssen neben der chemischen Reaktion immer auch der Stofftransport und die Hydrodynamik beschrieben werden. Der Stofftransport zwischen den im Apparat vorliegenden Phasen wird dabei von der Hydrodynamik festgelegt. Die Hydrodynamik umfasst das Bewegungsverhalten und die Verteilung aller im Reaktor vorliegenden Phasen: Gasphase, Flüssigkeitsphase und Feststoffphase (z. B. Katalysatorpartikel). Ziel ist es die Hydrodynamik orts- und zeitaufgelöst zu untersuchen und die grundlegenden physikalischen Zusammenhänge herauszustellen. Dazu werden für die experimentelle Untersuchung der Hydrodynamik im Technikum moderne Messverfahren auf Basis der Tomographie und Lasermesstechnik sowie bildgebende Messverfahren entwickelt und eingesetzt (siehe Forschungsprojekt InnoSyn). Aufbauend auf den grundlegenden physikalischen Zusammenhängen werden physikalisch begründete Berechnungsvorschriften entwickelt.

Power-to-Gas-Anlage in Falkenhagen
Die Power-to-Gas-Anlage in Falkenhagen ist vollständig eingebunden in die umgebende Energie-Infrastruktur. © Uniper

Zur Bereitstellung von EE-Gasen werden einzelne Technologien zu Prozessketten verschaltet. Herzstück von Power-to-Gas- (PtG-) Prozessketten sind: Wasserelektrolyse, CO2-Bereitstellung, Methanisierung sowie Verdichtung oder Verflüssigung.

Aus nationalen und europäischen Projekten bestehen umfassende Erfahrungen mit verschiedenen PtG-Technologien. An der DVGW-Forschungsstelle werden insbesondere Prozesse zur CO2-Bereitstellung und Methanisierung seit Jahren experimentell erforscht. Theoretische Betrachtungen und Modellierungen verschiedener Technologie-Konfigurationen umfassen neben der energetischen Optimierung und Bewertung von Prozessketten auch die Analyse von Investitions- und Betriebskosten.

Die aus dem Projektkontext gewonnenen Daten und Erfahrungen werden in einem Prozesskettentool zusammengefasst und ermöglichen die detaillierte techno-ökonomische Analyse von verschiedensten Prozessketten. Dabei werden standortspezifische Faktoren einbezogen, sodass die Anlagen energetisch und ökonomisch auf Basis der lokalen Gegebenheiten optimiert werden können.

Aktuelle Forschungsprojekte zur techno-ökonomischen Bewertung von PtG-Prozessketten:

Auf Basis der gewonnen Erkenntnisse berät die DVGW-Forschungsstelle bei Fragen zur EE-Gas-Bereitstellung in Form von Studien und Machbarkeitsanalysen zu spezifischen Fragestellungen.

Ob Studien oder Machbarkeitsanalysen: Beratung fängt mit Ideen an

Ansprechpartner
Bei Fragen zur Erzeugung von erneuerbaren Gasen wenden Sie sich gerne an
Dr. Friedemann Mörs
Gastechnologie ∙ Gruppenleiter Verfahrenstechnik

Telefon+49 721 608-41274